(Correctiv 20/05/2020) Mitten in der Corona-Krise greifen Rechte, Marktradikale und Klimaleugner auf ähnliche Verschwörungstheorien zurück: Für sie sind Klimaschutz und Corona der Beweis staatlicher Willkür – eine gefährliche Populisten-Erzählung.

In der Corona-Krise trifft sich eine altbekannte Allianz: Klimaleugner, Marktradikale und Rechtspopulisten kämpften früher gemeinsam gegen Klimaschutz  heute gemeinsam auch gegen die Corona-Maßnahmen. Sie verbindet die Abneigung gegen staatliche Eingriffe sowie ein Grundmisstrauen gegen die Wissenschaft. Sie nutzen die Themen, um Aufmerksamkeit für sich selbst zu schaffen.

Viele bekannte Klimaleugner demonstrieren derzeit auf sogenannten Hygiene-Demos oder wettern in den Sozialen Medien gegen die derzeitigen Einschränkungen. Mit dabei: Der deutsche Klimawandel-Verein EIKE. Er befeuert seit Wochen die Skepsis gegenüber der Gefährlichkeit des Covid19-Virus. Der Verein hat seinen Sitz in Jena und hatte vor der Epidemie das Ziel, Zweifel am menschengemachten Klimawandel zu säen. Derzeit geht es darum, wie „närrisch“ die politische Reaktion auf das Corona-Virus ausfiel.

Auf dem Klimaleugner-Portal von EIKE schreibt der emeritierte Hannoveraner Professor für öffentliches Wirtschafts- und Finanzrecht, Peter Nahamowitz, gegen Corona an. Er behauptet, die politische Reaktion auf das Virus sei eine Mischung aus „Panik (angestachelt durch gewisse Virologen, vor allem das Robert Koch Institut), (…) und (gleichsam immanentem) narzisstischem Regulierungsdrang der politischen Elite.“

Hier taucht das gemeinsame Narrativ der Corona-Skeptiker auf: Staatliche Regulierung beeinträchtige die persönliche Freiheit. Dabei gerieren sich die Klimaleugner schon länger als Freiheitskämpfer im Widerstand gegen die „grünen Khmer“, wie es auf der EIKE-Webseite heißt – eine Anspielung auf das totalitäre Regime in Kambodscha unter der Führung von Pol Pot in den 1970er Jahren. Passend dazu hat der EIKE-Verein den Slogan: „Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit.“

Diese Erzählung verbindet Klimaleugner und Marktradikale. Beispielsweise Werner Müller, BWL-Professor an der Universität Mainz, der mit vier weiteren Professoren eine Anfrage zu den Corona-Maßnahmen an die Bundesregierung stellte. Müller schreibt auf seiner Webseite, Regierungspolitiker ließen sich in der Corona-Krise wie „Rindviecher“ vor sich her treiben. Auch zur Klimapolitik veröffentlicht Müller einen Text mit einer demagogischen, ja rassistischen Meinung. Auf der Seite des Professors, immerhin Lehrer und Autoritätsperson vieler Studierender, steht: Die deutschen Klimaziele könnten in anderen Teilen der Welt besser umgesetzt werden. „Dann müsste man aber wirklich zum Kolonialismus zurückkehren und die Industrieländer müssten in den Entwicklungsländern, in denen sie mit ihren Steuergeldern in kurzer Zeit große Schritte zur Reduzierung von Treibhausgasen unternehmen, auch wieder die politische Kontrolle übernehmen.“ Natürlich sei es ungerecht, dass sich die Industrieländer in der Vergangenheit auf Kosten der Umwelt wirtschaftlich entwickelt haben. Aber, so steht es am Ende des Textes: „Für Gerechtigkeit ist aber keine Zeit mehr.“

Hauptsache gegen den Staat

Medial bekannter ist sein Mitstreiter Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover und Direktor am Institut für Öffentliche Finanzen. Auf einer Demonstration in Stuttgart hielt er eine viel verbreitete Rede, in der er die Statistiken des Robert-Koch-Instituts als „Lügen“ diffamierte. Später verglich er die Politik der Bundesregierung mit dem Faschismus. Auch Homburg will, wie viele seiner Mitstreiter, staatlichen Einfluss verringern.

Im vergangenen Jahr setzte er sich zusammen mit anderen Ökonomen wie dem ehemaligen Arbeitgeberpräsident Hans Olaf Henkel dafür ein, die Marktwirtschaft ins Grundgesetz zu schreiben, um eine „Planwirtschaft“ mit einer „Sozialisierung von Grund und Boden“ zu verhindern. Die Liste der Unterzeichner  ist deshalb interessant, weil einige dieser Personen in der Corona-Debatte besonders vehement für Lockerungen des Kontaktverbotes eintraten, etwa Max Otte. Otte verbreitete das millionenfach geklickte Video der Rede Homburgs. Er ist ebenfalls Finanzwissenschaftler, trat in den vergangenen Jahren für eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD ein und veranstaltet alljährlich das berüchtigte Hambacher Fest, auf dem sich Vertreter der Rechten treffen.

Die rechtslastige Splittergruppe einiger CDU-Politiker, die Werteunion, vertritt ebenfalls krude Theorien zu Corona und zum Klimaschutz. Die Werteunion schrieb schon 2019 in ihrem „Konservativen Manifest“, man wolle eine Klimapolitik, die „frei von ideologischen Instrumentalisierungen“ sei. Dabei argumentiert deren Vorsitzender Alexander Mitsch ähnlich wie die Klimawandelleugner in den USA oder europäische Rechtspopulisten. Er hetzt gegen die angebliche „Klimahysterie“ und die Ökodiktatur durch die „Gretalegende“. Mitsch und sein Mitstreiter, der frühere rechtslastige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, teilten über Twitter einen Fernsehbeitrag namens „Corona-Wahn ohne Ende“ des österreichischen Privatsender Servus TV. Darin beklagt ein Mediziner die Maßnahmen gegen Corona als „selbstzerstörerisch und sinnlos“.

Denselben Tenor schlagen mittlerweile auch Teile der AfD an: In Sachsen beispielsweise mobilisiert sie zu Corona-Protesten. Auch hier wieder die enge Verbindung zu Klimaleugnern: Der Vizevorsitzene von EIKE, Michael Limburg, kandidierte für die Partei in Brandenburg. Führende Vertreter der AfD verbreiten die Parolen der Klimaschutz-Gegner.

„Wunsch nach Kontrolle“

„Verschwörungstheoretiker vereint der Wunsch nach Kontrolle: Wenn Corona den Alltag ins Wanken bringt, die Klimakrise große politische Veränderungen einfordert, ist es erlösend, beides in Abrede zu stellen“, sagt die Publizistin und Politologin Katharina Nocun. Es sei bequemer, nichts ändern zu müssen, nicht seine eigenen Handlungen zu hinterfragen. „Dabei sprechen wir hier von einer Minderheit. Medial erscheinen diese Gruppen zurzeit größer, als sie in Wirklichkeit sind.“

Auch international verbinden sich Klimaleugner mit Menschen, die Corona nicht für gefährlich und die Maßnahmen dagegen übertrieben finden. Einer, der zugleich bei EIKE und lautstark bei Corona-Demos in Großbritannien auftritt, ist der betagte britische Meteorologe Piers Corbyn, Bruder des ehemaligen Labour-Chefs Jeremy Corbyn. Piers Corbyn wurde vor wenigen Tagen mit einer Sprechtüte mitten in einer Corona-Demo gefilmt und schließlich von der Polizei in Handschellen abgeführt, weil er sich nicht ausweisen wollte. Corbyn mischt seit Jahrzehnten in der europäischen Klimaleugner-Bewegung mit, publiziert Blogbeiträge und hält Vorträge auf einschlägigen Veranstaltungen, darunter auch bei EIKE.

Die Corona-Krise hält der Brite – wie viele andere zur Zeit – für eine Verschwörung von Bill Gates, der damit die Menschheit ausrotten wolle, um den Klimawandel zu stoppen und Massenimpfungen durchzuführen. Es sind krude Thesen, wie ein CORRECTIV-Faktencheck zeigt.

Heartland mischt auch mit

Auch die einflussreichsten Klimaleugner der Welt, das us-amerikanische Heartland-Institut, nutzte die Corona-Krise für die Verbreitung von Fake-News. Neben seiner Tradition als Tabak-Lobbygruppe bekommt das Institut vor allem Geld, um die Klimawissenschaft mit Publikationen, Lobbyismus oder pseudowissenschaftlichen Konferenzen anzugreifen. Auch bedienen die Heartland-Vertreter viele Verschwörungstheorien: Beim Klimaschutz ginge es um eine links-grüne Machtübernahme durch die „Grüne Maschine“, wie sie das globale Netzwerk von Klimaaktivisten und erneuerbaren Energielobbyisten nennen.

CORRECTIV hatte im Januar aufgedeckt, dass der Heartland-Chef auch für krumme Geschäfte zu haben ist. Undercover recherchierte CORRECTIV, wie Heartland Steuergeschenke verschleiert und anbietet, sich für öffentliche Kampagnen gegen den Klimaschutz in Deutschland einkaufen zu lassen.

Originalbeitrag auf Correctiv.org