(Der Freitag Ausgabe 22/2020) Die Konditionen der Staatsbeteiligung an der Airline geben einen sauren Vorgeschmack auf kommende Wochen: Anders als in Frankreich fehlen klare Vorgaben zum Klimaschutz

Wer dieser Tage die Nachrichten verfolgt, könnte sich fragen, ob er in einem Wiederholungssendung aus den Jahren 2008/2009 gelandet ist. In der früheren Folge wurden Banken gerettet und sogenannte Umweltprämien, also Kaufprämien für Benziner und Diesel, in die Welt gesetzt. Heute geht der Film noch mal von vorn los. Mittlerweile haben wir ein Klimaschutzgesetz in Deutschland und einen UN-Weltklimavertrag. Aber das hält die Bundesregierung nicht davon ab, weiter bedingungslos Gelder zu verteilen. Ganz schlechter Plot.

Die erste Folge der Rettungsserie: Lufthansa. Neun Milliarden Euro Staatshilfe werden verteilt, der Bund kauft sich für 300 Millionen mit 20 Prozent in die ehemals staatliche Airline ein. Damit kann er keinen entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Zonk. Einziger Hinweis auf Klimaschutz: Die Lufthansa soll „Nachhaltigkeitsziele verfolgen“ und ihre Flotte erneuern. Noch mal Zonk. Es geht angeblich um „spritsparende neue Maschinen“ oder die „Zumischung von synthetischen Kraftstoffen“. Wann und wie das passieren soll, steht in den Sternen. Das gilt für alle Versprechen der Luftfahrt seit dem Kyotoprotokoll von 1997. Dazu gehören der Mythos der alternativen Treibstoffe, karbonneutrales Wachstum oder die tropische Kletterpflanze Jatropha, die 2008 als Treibstoff der Zukunft gehypt wurde. Nichts davon ist je eingetreten. Jedes Jahr bläst die Branche mehr CO₂ in die Atmosphäre. Seit Jahren warnen Experten die Politik, sich nicht länger von der Luftfahrtlobby einseifen zu lassen.

Dass diese Branche klare Ansagen braucht, hat Frankreich verstanden. Dort vergibt der Staat ebenfalls Staatshilfen an Air France KLM, aber nicht bedingungslos: Inlandsflüge müssen gestrichen werden, sofern die Strecke in weniger als 2,5 Stunden mit dem Zug zurückgelegt werden kann. Der Finanz-, nicht der Umweltminister erklärte, die Staatshilfen seien kein Blankoscheck. Ziel müsse es sein, die Airline so umzugestalten, dass sie den Schutz des Planeten am nachhaltigsten garantiert.

Hierzulande kommt solcher Klartext nicht mal von der Umweltministerin. Svenja Schulze lobte den Deal. Ein Wegfall von Inlandsflügen sei erst mal „nicht zu erwarten“. Die wolle man dem Konzern auch in Zukunft „nicht nehmen“.

Der Lufthansa-Deal könnte ein Vorgeschmack auf die kommenden Wochen werden: Der Koalitionsausschuss will Anfang Juni über ein Konjunkturprogramm entscheiden. Auch hier soll der Klimaschutz „berücksichtigt“ werden. Doch es könnte laufen, wie es auch beim Lufthansa-Deal oder beim Klimaschutzpaket im vergangenen Jahre gekommen ist: Das Umweltministerium geht mit ehrgeizigen Zielen in die Gespräche – wohl wissend, dass es ein schwaches Ministerium ist. Dann zerdiskutieren Wirtschaft- Finanz- Verkehrs- und das Landwirtschaftsministerium die Vorschläge oder bringen selbst welche ein. Am Ende gibt es ein lasches Ergebnis mit etwas grüner Deko.
Doch aus Liebe zum Koalitionsfrieden setzt sich auch Ministerin Schulze bei der darauffolgenden Pressekonferenz auf Podium – und findet alles ganz gelungen.

Original in Freitag 22/2020 oder auf Freitag.de