(Der SPIEGEL 25/1/2021) Unter den Folgen des Klimawandels leiden bisher vor allem arme Länder – doch auch Deutschland ist bedroht. Ein Uno-Gipfel soll nun Missstände bei Hilfsprogrammen beheben und nötige Anpassungen klären.
Der Klimawandel macht keine Pause – auch nicht in der Coronakrise. Die Weltwetterorganisation (WMO) erklärte 2020 zu einem der drei heißesten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.
Die Erde erwärmt sich im Rekordtempo, schon heute müssen Millionen Menschen mit den Folgen leben. Immer drängender wird deshalb Frage, wie sie sich im Alltag vor diesen Konsequenzen schützen können. Bisher kümmerten sich die Staaten vor allem um die Eindämmung der Klimakrise, nun wollen Uno und Nationalstaaten sich auch um die Anpassung kümmern.
Auf einem Uno-Gipfel in den Niederlanden wollen die Länder beraten, wie sich die Länder besser vor Dürren, Überflutungen, Waldbränden und Wirbelstürmen schützen können. Der Gipfel wird von der Globalen Anpassungskommission ausgerichtet, gegründet vom ehemaligen Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist eingeladen.
Vorbereitung auf die Klimakonferenz
Bei dem zweitägigen Treffen soll die Uno-Klimakonferenz in Glasgow im November vorbereitet werden. Der Gipfel in den Niederlanden ist eine kleine Zäsur: Bisher spielten die Anpassungen an den Klimawandel in den internationalen Klimaverhandlungen nur eine untergeordnete Rolle.
Dabei warnt die Uno-Stelle für Katastrophenvorbeugung UNDRR, dass sich Extremwetter und Naturkatastrophen in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt haben. Der Klimawandel und daraus resultierende Konflikte könnten die humanitären Kosten bis 2030 auf 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr steigen lassen, warnte Mark Lowcock, Uno-Nothilfekoordinator im SPIEGEL.
Weil die klimatischen Veränderungen gerade in den armen Ländern soziale Probleme anheizen, sollen Staaten wie Deutschland und die EU sogenannte Klimahilfen an die betroffenen Länder zahlen. Im Weltklimavertrag, der 2015 in Paris beschlossen wurde, haben die reichsten Länder der Erde Hilfen von hundert Milliarden pro Jahr zugesagt.
Doch bisher wird nur ein Bruchteil der Hilfen gezahlt. Auch der Uno-Anpassungsfonds ist seit Jahren chronisch unterfinanziert. Die Entwicklungshilfeorganisation Care kritisiert, dass Klimahilfen an arme Länder schöngerechnet werden. Das sei in mehr als 100 Projekten – darunter in Ländern wie Ghana, Uganda oder Nepal – passiert.
In vielen Fällen seien die Gelder in Bauvorhaben geflossen, die gar nichts mit Klimaanpassung zu tun haben, kritisiert Sven Harmeling, Klimaexperte von Care International. »Die Geldgeber wie Staat oder Weltbank blähen so ungerechterweise ihre Bilanz zur Klimaanpassung auf.« Über 42 Prozent der bisher gezahlten Gelder – das sind laut Care rund 17 Milliarden US-Dollar in einer Spanne von fünf Jahren – seien nicht wie angegeben in Projekte zum Schutz vor den Folgen der Klimaanpassung geflossen.
Ein Beispiel ist das rund 800 Millionen Dollar schwere Projekt der Weltbank für den Wiederaufbau nach einem Erdbeben in Nepal. »Das Erdbeben wurde nicht vom Klimawandel verursacht«, so Harmeling. Auch ohne Klimawandel wäre der Wiederaufbau notwendig gewesen. »Bei einem solchen Projekt dann 86 Prozent der Kosten als Klimaanpassung zu deklarieren, ist unehrlich.«
Dabei würden gerade ärmere Länder dringend Unterstützung brauchen, um die Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.
Anpassung als Überlebensfrage
Wie lebenswichtig die Anpassung an den Klimawandel bereits heute für Menschen in südlichen Ländern ist, zeigt das Beispiel von Bauern im westafrikanischen Benin.
Sie berichten von massiven Ernteeinbußen und einem Wetter, auf das man sich nicht mehr verlassen kann. »Von zehn Erntejahren, sind heute sechs schlecht, zwei sind mittelmäßig und nur zwei wirklich gut«, sagt Agraringenieur Amadji Firmin. Für die Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat er in Nordbenin ein Programm für die Anpassung an den Klimawandel geleitet. »Innerhalb eines Jahrzehnts sind in einigen Dörfern die Maisernten von drei Tonnen auf eine Tonne pro Hektar zusammengeschrumpft«, so Firmin.
In Deutschland werden Landwirte für Ernteausfälle entschädigt. In Benin gibt es weder Hilfen noch Sozialprogramme. Einzige Hoffnung der Bauern sind Hilfsprojekte von Nichtregierungsorganisationen oder der Entwicklungshilfe aus Ländern wie Deutschland. Das GIZ-Projekt gibt den Bauern beispielsweise Anbautipps, wie sie den Boden wieder fruchtbar machen können, verteilt Samen oder empfiehlt, gegen Hitze Schatten spendende Bäumen anzupflanzen.
Zyklonschutzräume und Korallenriffe
Unter Uno-Aufsicht laufen derzeit rund 200 größere Anpassungsprojekte, die Hälfte davon in besonders armen Ländern. Bei den meisten geht es um Verbesserungen in der Landwirtschaft und sparsamere Bewässerungssysteme oder Wiederaufforstung.
Darunter fallen auch ökologische Anpassungsmaßnahmen wie die Wiederbelebung toter Korallenriffs. Das verbessert den Küstenschutz, aber auch die Wasserqualität und die biologische Vielfalt. Manche Maßnahmen, zum Beispiel die Wiederaufforstung, können sogar direkt zu den jeweiligen Klimazielen des Landes beitragen.
Besonders teuer sind hingegen der Bau von Deichen zum Schutz vor dem steigenden Meeresspiegel oder auch spezielle Bauten, um die Bevölkerung vor Wirbelstürmen und Überflutungen zu schützen.
Dazu zählen auch Zyklonschutzräume, die beispielsweise in Bangladesch gebaut werden. In den größeren dieser Enklaven kommen zwischen 500 und 2500 Menschen unter. Die Todeszahlen sind durch die Bauten laut wissenschaftlichen Studien bei Katastrophen extrem gesunken. Mittlerweile gibt es nach neuen Untersuchungen an der 710 Kilometer langen Küste von Bangladesch bereits über 2000 solcher Schutzräume.
Deutschland passt sich an
Auch Deutschland muss sich anpassen und zum Beispiel seine Landwirtschaft auf heißere Sommer und Extremwetter wie Starkregen vorbereiten. Im vergangenen November verabschiedete der Bundestag deshalb seine aktuelle Anpassungsstrategie an den Klimawandel.
Schleswig-Holstein hat vor Kurzem sogar begonnen, einen sogenannten Klimadeich zu bauen. Der soll die Anwohner vor Sturmfluten und dem steigenden Meeresspiegel schützen.
Derzeit laufen laut Bundesregierung in ganz Deutschland 180 Programme für die Anpassung an den Klimawandel, darunter auch hitzegerechte Pflegeeinrichtungen oder das Anpflanzen von Mischwald.