(SPIEGEL-Klimaspezial 3/11/2020) Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit entstehen unterirdische CO₂-Lager. Damit wollen sich Regierungen und Unternehmen Zeit kaufen im Kampf gegen die Erderwärmung. Doch die Technik hat Tücken.

Norwegens Plan zur Rettung der Welt beginnt mit dem Bau einer Pipeline. 110 Kilometer lang soll sie einmal sein, von einem Hafenanleger in der Gemeinde Øygarden führt sie hinaus auf die hohe See. Ihr Endpunkt liegt vier Kilometer unter dem Meeresspiegel und mündet in die Johansen-Formation, ein submarines Sandsteinvorkommen, zwölfmal so groß wie der Bodensee. Bis 2030 wollen die Betreiber vor Norwegens Westküste Millionen Tonnen klimaschädliches Gas von Europas Großindustrie verschwinden lassen. In drei Jahren soll das Endlager den Betrieb aufnehmen, um die Welt vor dem Klimakollaps zu bewahren.

Sverre Overå steht auf einem Felsvorsprung in der rauen Küstenlandschaft. Rechts von ihm der menschenleere Hafen, vor ihm nur Felsen und tiefblaues Wasser. Der Projektleiter der Firma Northern Lights kann an diesem Sommertag vor Ort zeigen, wie viel Arbeit noch vor ihm liegt. Denn bisher deutet nichts darauf hin, dass Øygarden, eine kleine Gemeinde, bestehend aus mehr als 450 Inseln an der norwegischen Westküste, Europas Problem mit der Erderhitzung lösen soll. Nicht einmal das Wetter spielt mit: Es sind 16 Grad, Nieselregen setzt sich auf der Kleidung ab, und ein kräftiger Wind treibt die dunklen Wolken landeinwärts.

Overås Arbeitgeber ist der Ölkonzern Equinor, ein Schwergewicht in Europa. Equinor zählt zu den zehn wertvollsten börsennotierten Ölkonzernen der Welt, nicht weit hinter bekannteren Namen wie Shell, BP oder ExxonMobil. In Øygarden will sich der norwegische Konzern neu erfinden: vom Emittenten von Kohlendioxid zum Entsorger des Klimagases. Equinors Ziel ist die Rückabwicklung des fossilen Zeitalters.

Mit der Pipeline, die das Unternehmen dafür braucht, soll komprimiertes CO2 transportiert und in der Johansen-Formation verpresst werden. 100 Millionen Tonnen des Stoffs – rund ein Achtel der jährlichen deutschen Treibhausgasemissionen – sollen bis 2050 unterirdisch endgelagert werden. „Carbon Capture and Storage“ (CCS), zu Deutsch CO2-Abscheidung und -Speicherung, heißt die Technik. Auf ihr ruht die Hoffnung, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit der europäischen Klimaschutzpolitik schließen zu können.

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