(Der SPIEGEL 31/1/2021) Ärmere Länder haben keine Chance bei der Verteilung der Impfstoffe. Tropenmediziner Maximilian Gertler warnt vor fatalen Folgen – auch für Europa.
SPIEGEL: In den Ländern Afrikas wurden bisher nur wenige Menschen gegen Covid-19 geimpft – allein in Deutschland sind es schon 1,8 Millionen. Hat die internationale Gemeinschaft hier versagt?
Maximilian Gertler: Der Impfstart in armen Ländern ist enttäuschend. Es läuft leider nach dem Prinzip des Stärkeren: Die reicheren Länder wie die USA, Kanada, aber auch viele Länder der EU sichern sich in bilateralen Verhandlungen die Impfstoffe. In einer globalen Pandemie ist solch ein Verhalten rücksichtslos.
SPIEGEL: Aber die Zahlen aus Afrika sind relativ niedrig. Bei Ansteckungen mit Covid-19 geht es meist um Horrormeldungen aus den USA, europäischen Ländern oder Südamerika.
Gertler: Das täuscht. Es wird generell kaum über Afrika berichtet und die Dunkelziffer von Covid-19-Infektionen ist extrem hoch. Das liegt daran, dass in vielen Ländern sehr wenig getestet wird. Seit Wochen beobachten wir, dass es bei den wenigen Tests immer mehr positive Ergebnisse gibt. In vielen afrikanischen Ländern, vor allem in Zentral- aber auch in Ost- und Westafrika, gibt es eine extrem schlechte Gesundheitsversorgung. Es fehlt an allem. Mancherorts ist die Lage dort schon unter normalen Nicht-Pandemiebedingungen katastrophal.