(Der SPIEGEL 28/09/2020) Erstmals gibt es eine Auswahl möglicher Gebiete für ein Atommüll-Endlager – nach rein wissenschaftlichen Kriterien. Nur warum wurde der gut erkundete Standort Gorleben so früh von der Liste gestrichen?
Es war eine dreijährige Reise durch den deutschen Untergrund. Seit 2017 sammeln 70 Wissenschaftlerinnen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) geologische Daten darüber, wie es unterhalb des deutschen Bodens aussieht – und wo der hoch radioaktive Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken am sichersten eine letzte Ruhestätte finden könnte. Um jahrzehntelange Bürgerproteste rund um das Atommülllager Gorleben zu befrieden, stellte die bundeseigene Gesellschaft BGE die Suche nach einem Endlager auf null. Die Forscher gingen von einer „weißen Landkarte“ aus und behandelten alle Gebiete gleich, hieß es. Deshalb mussten sie ganz Deutschland unter die Lupe nehmen: Auf der Suche nach einem geschützten Untergrund für ein Atomendlager kontaktierten die Forscherinnen Behörden in den abgelegensten Dörfern, in Kleinstädten und Landeshauptstädten, von der Ostsee bis zu den Voralpen.
Seit Montagvormittag hat die „weiße Landkarte“ erste Farbflecken: 90 Gebiete in Deutschland eignen sich potenziell als Standort für ein atomares Endlager. Das geht aus dem Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hervor. Der Bericht nennt erstmals konkrete Regionen, die für eine Einlagerung von Atommüll infrage kommen, die meisten davon liegen im Norden und Südosten. Der umstrittene Salzstock und das Erkundungsbergwerk Gorleben ist aber aus dem Rennen. „Der Salzstock Gorleben wird daher nicht bei den weiteren Arbeiten der BGE zu den Vorschlägen über die Standortregionen betrachtet“, heißt es in dem Bericht.
Um diese Liste zu erstellen, haben die Forscher vergilbte Karten digitalisiert, über eine Million Daten eingesammelt und analysiert, eine Fleißarbeit. Heraus kamen mögliche Standorte, die ausschließlich nach geologischen Kriterien ausgewählt wurden. Weder spielt es eine Rolle, wo diese Gebiete sind, noch wie viele Menschen dort wohnen oder welche Regierung dort im Landtag sitzt. Politische Ansprüche wie sie beispielsweise die bayerische Regierung hat, die ein Endlager auf ihrem Boden per Koalitionsvertrag ausgeschlossen hat, hätten laut BGE keine Rolle gespielt. „Wir haben alle gleich behandelt, auch vorbelastete Standorte wie Gorleben“, erklärt der CDU-Politiker und Geschäftsführer der BGE, Steffen Kanitz.
Überraschend ist deshalb, dass Gorleben als einer der am besten erkundeten Orte Deutschlands nun sehr früh im Auswahlprozess rausgefallen ist. Mit dem kleinen Ort in Niedersachsen begann 1977 die Suche nach einem Atomendlager, jahrzehntelang hatten Geologen und Politiker den Standort für geeignet befunden. Nur aufgrund massiver Proteste der Anwohner und der Antiatomkraftbewegung wurde die Festlegung auf Gorleben aufgegeben.
„Gorleben hat zwar alle Mindestanforderungen erfüllt, war aber in der geowissenschaftlichen Gesamtschau nicht ausreichend“, erklärte BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz dazu am Montagmorgen in Berlin. Das hätte vor allem am „mangelhaften Rückhaltevermögen“ und dem Deckgebirge gelegen, das nicht vollständig intakt gewesen sei.
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