(Der Freitag, Ausgabe 39/2019) Was das Kabinett beschließt, ist viel zu wenig. Angela Merkel zeigt sich trotzdem zufrieden

Sie ist nackt, die Kanzlerin. Im Futurium allerdings, einem schicken Neubau für zukunftsweisenden Wissenschafts- und Erfindergeist am Berliner Hauptbahnhof, scheint das erst mal niemand zu bemerken. Angela Merkel präsentiert das lange erwartete „Klimaschutzprogramm 2030“. Die Kollegen vom Klimakabinett lächeln brav. Den Journalisten wird das Eckpunkte-Papier bis zum Ende des Auftritts vorenthalten. So kann Merkel vor allen Leuten unbehelligt kundtun: „Wenn mich etwas beeindruckt – das sage ich jetzt als Naturwissenschaftlerin –, dann ist es das, was Greta Thunberg sagt: ‚Unite behind the science.‘“ Und zugleich ihren Zuhörern ein Programm unterjubeln, welches das genaue Gegenteil ist: „Mutlos“ seien die beschlossenen Eckpunkte für den deutschen Klimaschutz bis 2030, befinden Wissenschaftler später, und: reines „Politikversagen“.

Doch nicht nur die „scientists“, auch viele Bürger durchschauen der Kanzlerin neue Kleider. Hunderttausende laufen zur gleichen Stunde auf der Straße des 17. Juni und demonstrieren unter strahlend blauem Himmel für mehr Klimaschutz. Was die Leute auf der Straße fassungslos macht: Merkel lobt die Demonstranten, lobt Greta, hat für alles Verständnis. Es ist wie eine brutale Umarmung. Selten war der Widerspruch zwischen Schein und Wirklichkeit so eklatant.

Vielen wird dieser Tage bewusst, wie sehr die Bundesregierung seit Jahren in einer Märchenwelt lebt, in der sie glaubt, noch genügend Zeit zu haben, um Deutschland auf einen emissionsarmen Pfad und sanft in ein fossilfreies Zeitalter zu bringen. Leider stimmt daran – nichts. Die Wissenschaft gibt uns Junkies noch 30 Jahre, um den Entzug von Kohle, Öl und Gas zu schaffen und auf Null-Emissionen zu kommen.

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