(Der SPIEGEL 14/3/2021) Michael Regan, Leiter der wichtigsten Umweltbehörde der Welt, muss aus den schönen Worten Joe Bidens echte Umweltpolitik machen. Kann er sich gegen die Auto- und Kohlelobby durchsetzen?
Mit einem Alter von 44 Jahren gilt man in der Politik noch als jung. Dieses Etikett passt auch auf Michael Stanley Regan, Politkollegen begegnen dem Jungstar trotzdem mit Respekt: Er bringe so viel Erfahrung mit, dass ihm keiner etwas vormache – so beschreiben sie den neuen Chef der US-Umweltbehörde EPA.
Vorschusslorbeeren kann Regan gut gebrauchen. Er übernimmt die wohl wichtigste Klimaschutzbehörde der Welt in einem ruinösen Zustand. Unter Ex-US-Präsident Donald Trump war sie seit 2017 in einer Art Selbstzerstörungsmodus. So schrumpfte der Mitarbeiterstab in dieser Zeit um fünf Prozent, alle progressiven Verordnungen zur Regulierung von Luftqualität, Umweltauflagen für Öl- und Gasbohrungen oder Naturschutz wurden verwässert oder abgeschafft. Nun ist die EPA nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Da hilft es, dass sich Regan mit heruntergewirtschafteten Verwaltungen auskennt. Als Chef der Umweltbehörde des
Bundesstaates North Carolina kämpfte er vier Jahre lang mit dem Erbe seines Vorgängers. Der Republikaner Donald van der Vaart hatte in seiner Amtszeit erheblichen Flurschaden bei den Klimaschutzbemühungen angerichtet: Er stellte sich gegen Obamas Umweltpolitik und unterzeichnete gleich nach der
Wahl von Donald Trump einen Brief mit der Bitte, die »außer Kontrolle« geratene EPA zu entmachten.
Michael Regan baute die lokale Umweltbehörde in den vergangenen vier Jahren zu einer funktionierenden Exekutive aus. Das attestieren ihm ehemalige Mitarbeiter und sogar Umweltaktivisten des Bundesstaates. Nun soll er die EPA retten.
Fluch und Segen des Föderalismus
Nicht allen dürfte gefallen, dass die EPA wieder stark wird. Ohne deren Mithilfe gibt es keinen funktionierenden Klimaschutz. Gleichzeitig greifen die Entscheidungen der Behörde tief in die Souveränität vieler Bundesstaaten ein. In der Obama-Ära hatten deswegen viele Republikaner versucht, Klima- und Umweltprogramme zu stoppen.
Unter Trump war es dann genau umgekehrt. Da schlossen sich die meist demokratisch geführten Bundesstaaten zusammen, um ihre eigene Klimapolitik zu machen. Sogar auf Uno-Weltklimakonferenzen traten Staaten wie Kalifornien autonom auf und grenzten sich von der US-Regierung bewusst ab.
Nun steht alles wieder auf Anfang: Regan muss die EPA zu einer schlagkräftigen Behörde machen, um die ehrgeizigen Klimapläne von Präsident Joe Biden umzusetzen. Größtes Vorhaben ist der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen im Stromsektor bis 2035. Dafür soll der neue EPA Chef einen »Clean Power Plan 2.0« einleiten.
Den ursprünglichen »Clean Power Plan« brachte die EPA unter Präsident Obama auf den Weg. Damit sollten erstmals landesweit verbindliche Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen im Energiesektor vorgeschrieben werden. Das hätte vor allem die Kohlebranche empfindlich getroffen. Allerdings trat der Plan nie in Kraft, weil er von mehreren US-Bundesstaaten juristisch angefochten und schließlich von Trump gestoppt wurde.
Die Autobranche wird gefügig
Nun will die Biden-Administration einen neuen Anlauf wagen. Der neue Plan muss so wasserdicht sein, dass ihn weder die konservativen Bundesstaaten noch der Oberste Gerichtshof kippen können.
Das nächste Minenfeld für den neuen EPA-Chef ist der Verkehr. Die Klimaberaterin des Weißen Hauses, Gina McCarthy sei bereits in Verhandlungen mit den Autoherstellern, berichtet die »New York Times«. Bereits Anfang Januar hatten Toyota, Fiat Chrysler immerhin signalisiert, dass sie den Widerstand gegen Kalifornien aufgeben. Der Bundesstaat hatte unter Trump strengere Emissionsstandards für Verbrennermotoren erlassen, weil dem Gouverneur die Vorgaben der Trump-Regierung zu lasch waren.
An seinem ersten Amtstag nahm Biden die Lockerungen bei den Abgasgrenzwerten zurück. Er kündigte zudem mehr Förderungen für Elektroautos und den Ausbau eines landesweiten Ladenetzes an. Aber auch strengere Regeln für Diesel und Benziner müssen her. Umsetzen muss das dann Michael Regan.
Konsens statt Angriff
Die Klimaschutzversprechen des Präsidenten sind groß. Die Widerstände auch. Wie verhärtet die Fronten sind, zeigen Kommentare wie jener von Senator Mitch McConnell. Er nannte Bidens Pläne einen »linken Krieg gegen Amerikas Energiebranche«.
Doch Bidens Frontmann Michael Regan ist nicht der angriffslustige harte Knochen, den sich manch ein Umweltschützer an der Spitze der EPA gewünscht hätte.
Schon seine Wahl im Senat am Mittwoch zeigt, dass Regan ein echter Konsenskandidat ist. Für ihn votieren nicht nur alle Demokraten, sondern auch 16 Republikaner. Das liege an seinem Politikstil, der eher auf Kompromiss als auf Angriff ausgerichtet sei, vermuten US-Analysten. Regan vereinbare lieber ein Treffen und diskutiere alles aus, als jemanden vor den Kopf zu stoßen.
Auch wenn die Erleichterung bei den meisten Umweltaktivisten überwiegt, ist Regan für manche nicht hart genug. Donna Chavis, Sprecherin der Umweltorganisation Friends of the Earth, erklärte gegenüber US-Medien, dass Regan in North Carolina zwar einen guten Job gemacht habe. Sie hätte sich aber mehr Durchsetzungsvermögen gewünscht, als es um die Verhinderung einer Gaspipeline und den Bau einer Holzpellet-Fabrik ging. Die Projekte hätten Gemeinden mit einem hohen Anteil von Schwarzen und indigener Bevölkerung besonders betroffen.
Genau das will Regan nun scheinbar wieder gutmachen: Er kündigte bereits an, Klima- und Umweltgerechtigkeit solle zum »Herzensthema« seiner Amtszeit werden. Es solle zusätzliche Gelder und Berater geben, um Rassismus und Diskriminierung im Umweltrecht zu bekämpfen.
In einer Hinsicht hat es Regan leicht: Alles, was er in seiner Amtszeit machen wird, wird besser sein als die Arbeit seiner Vorgänger. Die hatten nämlich nicht die Absicht, der Behörde zu dienen, sondern sie zu demontieren. Erinnert sei nur an den Ex-EPA-Chef und
Klimaleugner Scott Pruitt, der wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste. Oder seinen
Vorgänger Andrew Wheeler, der vor seiner EPA-Zeit als Lobbyist und Berater von Murray Energy, einem der größten Kohleminenbetreiber der USA, arbeitete.