(Spiegel Online 18/12/2019) Marktradikale Thinktanks aus den USA wollen nun auch in Europa das Weltklimaabkommen bekämpfen. Die Trump-Fans waren auf dem Klimagipfel in Madrid, um in Deutschland rechte Influencer und Netzwerke aufzubauen.

2020 treten die USA aus dem Weltklimavertrag aus, die Klimawandelleugner weltweit feiern das. Aber die finanziell gut ausgestatteten Klimawandelleugner-Thinktanks des Landes geben sich mit ihrem „Sieg“ über die Wissenschaft im eigenen Land nicht zufrieden. Sie wollen nun auch in Europa rechte Kräfte unterstützen, um den Weltklimavertrag doch noch auszuhebeln.

Parallel zum Uno-Klimagipfel tagten europäische und US-amerikanische Klimawandelleugner in Madrid auf der Konferenz „Climate Reality Forum“. Dabei ging es darum, wie die Welt sich gegen einen angeblichen „Klima-Alarmismus“ und „Klima-Wahn“ wehren könne. Organisiert wurde die Konferenz von dem US-Thinktank Heartland Institute und dem deutschen Klimawandelleugner-Verein EIKE aus Jena. Die These von Heartlands Umweltexperten James Taylor: „Wir gewinnen Europa“.

Eingeladen wurde auch der neue „Jungstar“ der Bewegung: Die rechte Bloggerin Naomi Seibt aus Münster. Sie war die einzige Rednerin in der traditionell von älteren Männern dominierten Veranstaltung. Vor allem das Heartland-Institut versucht die 19-Jährige derzeit als „Anti-Greta“ zu inszenieren. Naomi Seibt geriert sich dabei als einst „naive“ Umweltschützerin, die nun „aufgewacht“ ist und die „Klimalüge“ nun durchschaut hat.

Strategie der Klimawandelleugner: Rechte Influencer aufbauen

Gleichzeitig verbreitet die YouTuberin auf Deutsch und Englisch rechtskonservative Thesen: Sie wettert gegen „Staatsmedien“, die den Bürgern das Geld aus der Tasche ziehen würden, gegen Abtreibung und gegen Seenotrettung. Ihr YouTube-Kanal finanziert sich über Spenden und hat mittlerweile rund 37.000 Abonnenten, die Videos werden teilweise bis zu 100.000 Mal geklickt und hundertfach positiv kommentiert. In den stets vor einem weißen Kleiderschrank als Home-Video gedrehten Clips sagt sie Sätze in rechter Brachialrhetorik wie: „Wunden sind keine Ausreden, sondern Indikatoren, wie weit du schon gekommen bist.“

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Seit der Konferenz in Madrid bewirbt Heartland die Münsteranerin auf seinen Kanälen, der rechte Breitbart-Blog interviewte Seibt, und auch die deutschen Klimaleugner loben sie als „Jugendliche mit Sachverstand“ gegen die angeblichen Marionetten des „industriellen Klimakomplexes“, wie es auf dem EIKE-Blog heißt. Ob die Bloggerin Spenden von den rechten Klimawandelleugner-Netzwerken bekommt, ist ungewiss. Heartlands Umwelt-Sprecher James Taylor erklärte auf Anfrage des SPIEGEL, dass es eine gute Idee sei, Naomi Seibt fest anzustellen. Bisher sei angeblich noch kein Geld aus den USA an die Deutsche geflossen.

Die YouTuberin Seibt zeigt, wie Heartland mit Influencern nun in Europa Stimmung machen will: Seibt spricht nicht nur Rechtspopulisten wie der AfD aus dem Herzen, sondern auch neoliberalen Hardlinern. Als Siebzehnjährige erhielt sie einen Preis des marktradikalen Hayek-Instituts. Die Laudatio hielt Ulrich van Suntum, Wirtschaftsprofessor in Münster. Er lobte Seibt bei der Veranstaltung mit italienischem Drei-Gänge-Menü für ihr „Einser-Abitur“ und ihre Arbeit, in der sie klarmache, wie „liberale Ideen ausgerottet werden sollen“.

Auch Liberale mischen mit

Van Suntum ist auch Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die INSM wird wiederum vor allem von den Arbeitgeberverbänden der Metallindustrie finanziert und machte vor der Verabschiedung des Klimapakets der Bundesregierung auf Facebook und seiner Webseite Stimmung gegen eine Bepreisung von CO2.

Den deutschen Klimawandelleugnern kommt die Unterstützung aus den USA gelegen: Heartland sei ein Vorbild im Kampf gegen den „Klima-Irrsinn“, lobt der deutsche Chef des Klimawandelleugner-Vereins EIKE, Wolfgang Müller, in Madrid. Seine These: Die Linke in Europa habe das Klimaschutz-Thema übernommen. Müller leitet ein neoliberales Institut in Berlin, das sogenannte „Institut für Unternehmerische Freiheit – Deutschlands Free Market Think Tank“, das gegen die Wiedereinführung einer Vermögensteuer kämpft und die Erbschaftsteuer abschaffen will.

Deutsche Klimawandelleugner wie EIKE sind zwar weniger vermögend als Heartland, aber auch sie haben mittlerweile politischen Einfluss: Sie haben das Umweltprogramm der AfD mitgeschrieben. Ihr Vize, Michael Limburg, kandidierte für die AfD im Bundestagswahlkampf 2017 und arbeitet im Bundestag.

Heartland: Der große Bruder mit dem Geldbeutel

Auch in der Familie Seibt treffen sich Klimawandel-Leugnung und Rechtspopulismus. Bloggerin Naomi Seibt widmete ihre vom Hayek-Institut ausgezeichnete Arbeit ihrer „mutigen Mutter“, Karoline Seibt. Die Rechtsanwältin rief 2017 auf der rechten Webseite „Philosophia Perennis“ zur Wahl der AfD auf.

Heartland ist so etwas wie der große Bruder des deutschen Klimawandelleugner-Vereins EIKE. Zusammen organisieren sie regelmäßig Konferenzen parallel zu Uno-Klimagipfeln. Im vergangenen Jahr unterzeichnete Heartland dort eine Kooperation mit der polnischen Kohle-Gewerkschaft Solidarno, um diese im Kampf gegen einen europäischen Kohleausstieg zu unterstützen.

Der US-Thinktank erhält jährlich Millionenspenden, um den menschengemachten Klimawandel als falsch darzustellen und Zweifel am Weltklimarat zu säen. Dazu publizieren Heartland-Autoren Beiträge, geben eigene angeblich wissenschaftlich überprüfte Berichte heraus, lobbyieren im US-Kongress oder laden Klimawandelleugner aus aller Welt zu Konferenzen ein. Das Institut kämpft seit jeher gegen die „Regulierungswut“ des Staates und für die „Freiheit“ des Unternehmertums. Einst unterstützte das Institut die Tabaklobby mit Kampagnen gegen ein Rauchverbot. Das Heartland-Institut erhielt laut Unterlagen der US-Steuerbehörde IRS zudem Gelder von der Mercer Family Foundation, die wiederum einer der größten Spender von Trumps Wahlkampf war. Mehrere Leaks beweisen zudem, dass Heartland von Exxon Mobil und weiteren Unternehmen der Öl- und Gasindustrie finanziert wurde.

Mit US-Präsident Donald Trump hat Heartland nun Rückendeckung vom Weißen Haus. Trump stellt sich schützend vor die Kohle, erlaubt ungebremstes Fracking nach Gas und Öl und baut Umweltauflagen ab. Im Sommer fand die jährliche „Klimakonferenz“ von Heartland im „International Trump Hotel“, einem Luxushotel in Gehentfernung zum Weißen Haus in Washington DC statt, in dem ein Zimmer zwischen 400 und 1700 Dollar pro Nacht kostet. Mit dabei war der als Freund vorgestellte EIKE-Verein und weitere bekannte Klimawandelleugner, die mittlerweile auch von der AfD in den Bundestag eingeladen werden.

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Diese Wende wünschen sich Heartland und EIKE auch für Europa. Ob Heartland seinen kleinen Bruder auch finanziell unterstützt, wollte der Verein auf mehrfache Anfrage nicht preisgeben. Zumindest auf den jährlich stattfindenden deutschen EIKE-Konferenzen taucht das Heartland-Institut immer wieder als Co-Sponsor auf.

Originalbeitrag auf: Spiegel Online