(Der SPIEGEL 9/1/2021) Das Umweltbundesamt beauftragt eine Tochter des Kohlebetreibers Leag mit einer Studie zu Tagebauen. Diese soll ermitteln, welche Folgen der Kohleausstieg in der Lausitz für den Wasserhaushalt hat. Kritiker vermuten Kungelei.
Einen Plan B zur Renaturierung der Tagebaulöcher gibt es bisher nicht.
»Niemand hat eine Idee, woher die Milliarden Kubikmeter Wasser kommen sollen«, so Felix Matthes vom Öko-Institut und ehemaliges Mitglied der Kohlekommission. Wenn, dann müsse die Leag die Kosten für die Bereitstellung der riesigen Wassermengen oder der Alternativen für die der Renaturierung bezahlen – und nicht der Steuerzahler.
»Verdacht der Befangenheit«
Ob das aber gelingen kann, wenn die Kohlebetreiber selbst an den wissenschaftlichen Studien zum Wasserhaushalt der Lausitz mitschreiben, bezweifeln Kritiker. »Für mich entsteht hier der Eindruck, dass der Leag damit die Möglichkeit eingeräumt wird, sich gewissermaßen das Gutachten selbst zu schreiben«, kommentiert Martin Kühne, langjähriger grüner Stadtverordneter in Cottbus und Leag-Kritiker.
Er befürchtet, dass ein Teil der Renaturierung am Ende doch auf den Steuerzahler abgewälzt werden könnte. »In der Kommunalpolitik praktizieren wir jedenfalls bereits beim Verdacht der Befangenheit eine andere Verfahrensweise«, kommentiert Kühne die Vergabepraxis des Uba. Auch die restlichen Gutachter hält Kühne für befangen: Einige Ingenieurbüros und Gutachter des Konsortiums seien langjährige Auftragnehmer der Leag.
Ein Beispiel ist Wilfried Uhlmann, studierter Hydrogeologe, der bereits seit Jahren für das Land Brandenburg und die Leag Gutachten zu Tagebauen schreibt. Mittlerweile taucht Uhlmann auch öffentlich mit seinen Auftragnehmern auf – nicht nur in dem neuen Auftrag des Uba. Der Hydrogeologe ist auch im Vorstand des neu gründeten »Wassercluster Lausitz«. Der Verein will »den Transformationsprozess in der Lausitz im Bereich Wasserwirtschaft« begleiten. Unter den Vorstandskollegen im »Wassercluster« befindet sich auch Thomas Koch, angestellt bei der Leag-Tochter GmB GmbH, die nun auch die Leitung der Uba-Studie innehat.
Das sonst eher kritische Umweltbundesamt verteidigt die Vergabe an die Leag-Tochter gegenüber dem SPIEGEL: »Dass die GmB GmbH zur Leag gehört, ist beim Vergabeverfahren kein Ausschlusskriterium«, erklärt der Verantwortliche Jörg Frauenstein. Das Forschungsvorhaben würde »neutral und ergebnisoffen« geführt, versichert UBA-Mitarbeiter Frauenstein. Man wolle »genau hinsehen« und Transparenz schaffen.
35 neue Seen und kein Tropfen Wasser
Unstrittig ist hingegen, dass dringend Daten und Prognosen zu Flüssen, Seen und Grundwasserreserven in der Lausitz gebraucht werden. Die Ergebnisse geben auch einen Hinweis darauf, was die Renaturierung der Kraterlandschaften am Ende kosten wird.
Der Hauptgrund für das fehlende Wasser ist der Braunkohleabbau: Wenn alte Tagebaue geschlossen werden, erübrigt sich auch das Abpumpen von Grundwasser aus dem Braunkohleloch in anliegende Gewässer. Deren Wasserstände sinken deshalb. Hinzu kommt, dass die Leag die verwüsteten Kohlelöcher zum Großteil mit Flusswasser auffüllen will, um die Landschaft zu renaturieren. Allein in der Lausitz entstanden deshalb über 30 neue Seen – nach eigenen Angaben »Europas größte von Menschenhand geschaffene Seenlandschaft«. Mehrere große Seen müssen noch befüllt werden.
Ohne genügend Wasser ist die Post-Kohle-Utopie des Unternehmens Makulatur. »Bei allen Beteiligten herrscht derzeit eine große Ratlosigkeit«, so Kohleexperte Felix Matthes.
Politik und Leag müssen deshalb erst einmal wissen, wo wie viel Wasser überhaupt fehlt und wie ein Trockenfallen von Flüssen wie der Spree verhindert werden kann. Das soll die vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie herausfinden. »Genau genommen, entwickeln wir ein Prognoseinstrument«, sagt Jörg Frauenstein vom Umweltbundesamt.
Experten warnen, dass der Wassermangel nach dem Kohleausstieg sogar die rund 200 Kilometer entfernten Hauptstadt treffen könnte. »Selbst in Berlin merkt man schon heute die Wasserknappheit«, bestätigt Felix Matthes vom Öko-Institut. Einige Flüsse wie die 180 Kilometer lange Schwarze Elster sind bereits teilweise ausgetrocknet, meldeten Lokalmedien im Dezember.
Wasser ist knapp und teuer
Die Anweisung für die Studie kommt von zentraler Stelle. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken vor einigen Wochen, schreibt die Bundesregierung: Mit der Studie solle »der Umfang der nicht von den Tagebaubetreibern zu leistenden wasserwirtschaftlichen Maßnahmen ermittelt werden«. Heißt: Es gehe auch darum, welche Gelder der Staat und welche Mittel das Unternehmen für die Renaturierung ausgeben soll.
Da der Tagebaubetreiber nun selbst an dem Forschungsvorhaben mitwirkt, kann er womöglich selbst bestimmen, welche Maßnahmen und »Managementoptionen« er leisten will und welche nicht. Ganz konkret könnte es beispielsweise darum gehen, welche Wasserprobleme dem Bergbau und welche dem fortschreitendem Klimawandel zuzurechnen sind.
Bereits heute entwickeln sich beide Probleme zu einem riskanten Cocktail: Das Trockenfallen von Flüssen wie der Schwarze Elster liegt auch an den geringen Regenmengen der vergangenen Jahre. Und für die Tagebauseen gilt: Je größer das Gewässer, desto mehr Wassermengen verdunsten durch hohe Temperaturen. Einige stillgelegte Tagebaue haben zudem Probleme, überhaupt befüllt zu werden. Ein Beispiel ist der »Ostsee«, das derzeit größte Leag-Projekt der »Seenlandschaft«. Weil es 2019 und 2020 wenig regnete, ist der See bisher kaum gefüllt. Die Leag schreibt dennoch: Der See fülle sich nach Plan.