(Spiegel Online 20/9/19) Vor 30 Jahren wären die Klima-Eckpunkte der Koalition eine Revolution gewesen. Heute sind sie ein Desaster. Experten bewerten die Einigung als „klares Politikversagen“.
Beim Klimaschutz wurde lange getrödelt. Nun liegen die Nerven blank. Jedes Jahr wird die Menge kleiner, die Deutschland nach den Pariser-Klimazielen noch an Treibhausgasen in die Atmosphäre pusten darf. Sie sehen vor, dass der Planet sich um möglichst nicht mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erwärmen darf.
Das heute vorgelegte Eckpunkte-Papier der Bundesregierung kommt spät. Seit der Regierungsbildung sind anderthalb Jahre ins Land gegangen. Anders als versprochen, ist das Papier auch noch lange kein Klimaschutzgesetz. Wann die Politik sich rechtlich bindend dazu verpflichtet, Treibhausgase einzusparen, ist weiter ungewiss.
Die Enttäuschung in der Klimaforschung ist groß: „Dieses Eckpunktepapier ist ein klares Politikversagen“, sagt Anders Levermann vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wir brauchen jetzt keine politischen Kompromisse, sondern Reduktionen“, so der Klimawissenschaftler. Die würden aber mit den Eckpunkten der Regierung verzögert und auf die lange Bank geschoben.
Klimaforscher warnen seit Jahren, dass die Uhr tickt. Jeden Monat, in dem nicht gehandelt wird, steigen die deutschen Klimaschulden: So räumte Kanzlerin Angela Merkel auch auf der heutigen Pressekonferenz in Berlin wieder ein, dass sie das Klimaziel 2020 verfehlt. Deutschland liegt mit rund 100 Millionen Tonnen jährlich hinter diesem Ziel zurück – das ist mehr als der CO2-Ausstoß von Belgien. Die nächste Etappe wird dadurch noch heikler. Bis 2030 will man laut „Klimaschutzplan 2050“ um 300 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren – etwa so viel wie die gesamte deutsche Energiewirtschaft ausstößt. Damit müsste die Regierung in den nächsten zehn Jahren mehr schaffen, als in den vergangenen 30 Jahren.
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