(DIE ZEIT Ausgabe 26/2021) Aus deutschen Industrieanlagen tritt klimaschädliches Methangas aus. Die Behörden ignorieren das Problem.
James Turitto hat in einem Roggenfeld in der brandenburgischen Pampa, wenige Kilometer vor der polnischen Grenze, eine kleine Wetterstation aufgebaut. Er misst die Lufttemperatur und die Windstärke. „Optimales Methan-Wetter“, sagt der gebürtige New Yorker.
Dann schultert er seine Spezialkamera und filmt ein rund zehn Meter hohes Stahlgerüst mit zwei senkrechten Rohren, einen sogenannten Ausbläser der Gasverdichterstation Mallnow. In Mallnow kommt russisches Gas nach einer Pipeline-Reise von vielen Tausend Kilometern in Deutschland an. Von hier aus wird es in die deutschen Erdgasspeicher und Haushalte zum Heizen weitergeleitet. Die eingezäunte Anlage ist gut von außen einsehbar, und mit ihrem frisch gemähten Rasen, den weißen Tanks und Rohren wirkt sie sauber und sicher.
Turitto ist aber auf der Suche nach einer Gefahr, die man nicht sehen kann: Er spürt Methan-Lecks auf. Wie ein Detektiv fährt er mit einem Leihwagen durch Europa und sucht nach Stellen an Industrieanlagen, wo das klimaschädliche Gas in die Luft entweicht. Er macht das im Auftrag der amerikanischen Umweltorganisation Clean Air Task Force, die sich durch Spenden finanziert und in den USA schon seit 35 Jahren für schärfere Grenzwerte und Kontrollen bei Industrie-Emissionen kämpft. Seit dem Herbst 2020 entsendet die NGO auch Leute nach Europa, in Deutschland arbeitet sie mit der Deutschen Umwelthilfe zusammen.
In den vergangenen acht Monaten ist Turitto gleich an jeder seiner vierzehn Stichproben fündig geworden: Bei seinen Messungen fand er Methan-Lecks etwa an einem Öllager im niedersächsischen Barenburg, in einem Untergrundspeicher in Rheden und auch hier, an der Verdichterstation der Firma Gascade im ostdeutschen Mallnow.
Erdgas besteht überwiegend aus dem Treibhausgas Methan. Gelangt es in die Atmosphäre, trägt es laut dem Weltklimarat rund 87-mal so stark zur Erderwärmung bei wie das viel gescholtene CO₂. Turittos Messungen weisen auf Methan-Lecks hin, die bislang nicht in den Klimadaten der Bundesregierung berücksichtigt sind. Das heißt: Deutschland stößt de facto mehr Treibhausgase aus, als es bislang international angibt.
Die Deutschen sind die größten Gasverbraucher in der EU, rund die Hälfte aller Wohnungen und Häuser werden mit Gas beheizt, von dem 94 Prozent importiert werden, zum Beispiel aus Russland. Wie viele Tonnen Methan dabei unbemerkt ausströmen, ist bislang unklar – auch dem Methangas-Jäger Turitto, der ja nur Stichproben nimmt. „Allerdings habe ich bisher keine einzige Gasinfrastruktur gefunden, wo nicht Methan austritt“, berichtet er. Turitto zeigt im Display seiner Wärmebildkamera auf die Mallnower Anlage. Am Himmel darüber ist deutlich eine Rauchsäule zu erkennen, die sich durch den Westwind beugt. Die Spezialkamera macht Methan sichtbar.
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