(SPIEGEL 23/1/2020) Bis Ende 2022 muss in Deutschland der letzte Atommeiler vom Netz gehen. Kernkraftfans hoffen aber auf eine Kehrtwende. Sie argumentieren mit der Klimakrise – an die viele von ihnen gar nicht glauben.

Da waren’s nur noch sechs: An Neujahr ging das Atomkraftwerk Philippsburg II vom Netz. Bis zum endgültigen Atomausstieg in Deutschland bleiben nur noch drei Jahre und sechs weitere Abschaltungen. Während Atomkraftgegner vor dem Werkstor mit Sekt anstießen, versammelten sich zwei Stunden später auch Atombefürworter am heruntergefahrenen Meiler im Landkreis Karlsruhe.

Statt Sekt gab es auf ihrer Kundgebung aufblasbare Eisbären, wütende Reden und düstere Prophezeiungen: „Deutschland tötet mit seiner Abschaltung Menschen“, polterte ein Atomaktivist. Auf den Demoschildern steht das Kürzel des Weltklimarats IPCC und der Spruch der Aktivistin Greta Thunberg: „Wie könnt ihr es wagen!“ mit dem Zusatz: „ein CO2-freundliches Kraftwerk abzuschalten“.

Seit dem Beschluss des Atomausstiegs 2011 hat sich die deutsche Energiebranche auch dank einer Milliardenentschädigung damit abgefunden, dass Deutschland Anfang der Zwanzigerjahre keine Atomenergie mehr produziert. Aber mit der Klimakrise sehen sie nun neue Chancen, für ihre Energie zu lobbyieren. Der Grund: Atomkraftwerke sind klimafreundlicher als Kohle und Gas, da sie im Betrieb kein CO2 freisetzen.